Ivo Soldini wurde am 9. Oktober 1951 in Lugano geboren. Nach dem Besuch des kantonalen Gymnasiums in Lugano studierte er ein Jahr lang an der Akademie der Schönen Künste Brera in Mailand (1972-1973) und begann seine eigene künstlerische Tätigkeit. In den folgenden drei Jahren studierte er an der Staatlichen Universität Mailand, erst Politische Wissenschaften und dann Literatur und Kunstgeschichte. Ausserdem unternahm er Reisen nach Europa, während denen er Galerien und Museen besuchte und mit Künstlern aus verschiedenen Ländern in Kontakt kam. In den Siebzigerjahren trat er dem Movimento 22 bei. 1973 begann eine intensive Ausstellungstätigkeit in Galerien sowie in öffentlichen und privaten Räumen in der Schweiz und im Ausland. In diesen Jahren dominierten das Zeichnen und Malen. Seit 1975 widmete sich Soldini hauptsächlich der Skulptur, in kleinerem und mittlerem Format, vor allem in Bronze, aber auch in Aluminium und Gips. Damit einher ging in den letzten Jahren auch die Gestaltung monumentaler Werke. Parallel dazu entfaltete er eine fruchtbare grafische und malerische Tätigkeit, wobei er unterschiedliche Techniken erprobte. Im plastischen Schaffen Soldinis wechseln sich zu Beginn klassizistische und naturalistische Inspirationen mit Elementen ab, die den in formalen und expressionistischen Strömungen nahestehen. Es finden sich künstlerische Bezüge zu Marino Marini, Giacomo Manzù, Remo Rossi und vor allem zu Alberto Giacometti. 1981 hatte er eine wichtige Einzelausstellung im Palazzo Civico in Bellinzona.
Soldinis steht in seiner künstlerischen Entwicklung in der Tradition der Bildhauerei, deren Mittelpunkt die Figur ist, mit starker Betonung auf der psychologischen Erforschung des Individuums. Im Laufe der Achtzigerjahre fokussierte sich die Aufmerksamkeit auf die Verinnerlichung, wodurch der Ausdruck eine grössere Schärfe erhielt. Zu Soldinis Leitmotiven gehören, neben den Verticali (vertikalen), die Inclinati (geneigten), diagonal in den Raum gestellte Figuren. Die Ansammlungen von Personen, wie sie in den Basreliefs zum Ausdruck kommen, und die Gruppi (Gruppen), die in den Neunzigerjahren zu nachgerade erratischen Blöcken werden, erinnern an die festen Volumen von Fritz Wotruba und verschieben das künstlerische Hinterfragen von der individuellen zur sozialen Sphäre. Bemerkenswert die Serie der Teste (Köpfe), durchfurcht von tiefen Kannelüren, die seit den frühen Neunzigerjahren monumentale Dimensionen annehmen. Unter den jüngsten Motiven seien die komplexen Gruppi di figure (Figurengruppen) genannt, die von einer starken kornpositiven Spannung durchdrungen sind, und die Frauenfiguren mit ihren weicheren Formen.
In Soldinis Werken zeigt sich die innere Unruhe in den ausdrucksstarken, zerfurchten Oberflächen. Die geneigten, gedrehten, sich streckenden Körper drücken die Instabilität aus, das Erodieren menschlicher Existenz und stellen sich dem ethischen Widerstandsdrang der vertikalen Volumen entgegen. Eng eingebunden in die bildhauerische Tätigkeit Soldinis ist sein malerisches und grafisches Werk, das von den gleichen Themen und Bedeutungen beherrscht wird.
In den Zeichnungen zeigt sich der Wille, die Figur durch schwarze erschaffende Linien zu formalisieren, wobei der Strich unruhig und wirbelartig ist. In den Bildern hingegen, die dem Neoexpressionismus verpflichtet sind, gewinnt das Thema Leben durch eine kraftvolle Gestualität und eine starke Farbgebung. Von den jüngsten Einzelausstellungen seien jene im Centro Svizzero in Mailand (2001) und im Château de Gruyères (2005) genannt. Im gleichen Jahre schenkte der Künstler dem Cardiocentro in Lugano siebzig Werke. Werke von Ivo Soldini finden sich im privaten und öffentlichen Raum, wie das Monumento alla Resistenza (Denkmal für den Widerstand) in Cesate (Milano, 1990), Die künstlerische Gestaltung in Casteldavesco (1996), Omaggio a Borromini (Hommage an Borromini) in Bissone (1999) Rotazioni (Rotationen) am Largo Elvezia in Bellinzona (2005), die Ausstellung im Park der Villa Saroli in Lugano (2007), Tre grandi verticali (Drei grosse Vertikalen) im Seerosenpark in Horgen (2009), Grande testa (Grosser Kopf) an der Piazza Municipio in Paradiso (2009). In den letzten Jahren fanden Einzelausstellungen Soldinis an folgenden Orten statt: Bern, Horgen, Lausanne, Palazzo Comunale in Riva San Vitale, Sion mit monumentalen Skulpturen in der Stadt und in der Galerie Galartis, in der 73 BPS Banca in Bellinzona; die chronologisch zweitletze Einzelausstellung wurde im Frühjahr 2014 in der Galerie Christina Brügger in Bern gezeigt. In 2015 in Vira Gambarogno, die G 15, der internationalen Skulpturenausstellung unter freiem Himmel, mit einer wichtigen Ergänzung in Bellinzona, in den Ausstellungsräumen der Società Bancaria Ticinese, und die 6. Schweizerische Triennale der Skulptur Bad Ragaz und Vaduz.
Ivo Soldini lebt und arbeitet in Ligonetto, in seinem Elternhaus.